Digitalfunk für die BOS auf der Zielgeraden

2024_05

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„Wir werden einige Jahre mit dem Doppelbetrieb leben müssen“

Die Einführung des Digitalfunks für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) biegt in die Zielgerade ein. Doch das war kein einfacher Weg. Nach den ursprünglichen Planungen des Bundesinnenministeriums hätten die Sicherheitskräfte bereits im Jahr 2006 zur Fußballweltmeisterschaft digital funken und die seit Jahrzehnten genutzte analoge Technik ablösen sollen. Der Startschuss für ein deutschlandweites und flächendeckendes Netz fiel dann im Jahr 2008. Nach Angaben der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen für Sicherheitsaufgaben (BDBOS) soll der Netzaufbau im Wesentlichen bis zum Jahr 2014 abgeschlossen sein.

Im Vorfeld der wichtigen Fachmesse für professionellen Mobilfunk und Leitstellen, der PMRExpo, sprachen wir mit Dipl.-Ing. Hartmut Ziebs, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands, zu den aktuellen Themenstellungen rund um die Einführung der Digitaltechnik für den BOS-Funk.

Herr Ziebs, die Feuerwehren haben lange auf die Einführung der modernen Digitalfunktechnik gewartet. Jetzt ist der Abschluss des deutschlandweiten Netzausbaus abzusehen. Wie ist Ihre persönliche Einschätzung mit Blick auf Ihr Bundesland Nordrhein-Westfalen sowie auf Deutschland?

Zunächst ist festzustellen, dass wir eine sehr unterschiedliche Landschaft in Bezug auf den Netzausbau haben. Das ist das, was mir am meisten Sorge bereitet. Die Länder führen den Digitalfunk zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit einer unterschiedlichen Intensität ein. Das wird zu Problemen führen – gerade in den Bereichen, wo Schnittstellen zu anderen Bundesländern existieren.
Nordrhein-Westfalen prescht mit anderen Ländern – wie Hessen oder auch den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg – relativ weit vor. Es wird aber auch Schnittstellenprobleme geben. Beispielsweise ist Rheinland-Pfalz meines Wissens noch nicht so weit. Das ist besonders für uns im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz keine glückliche Konstellation. Ich bin gespannt, wie wir als Feuerwehren diese Problematik überbrücken werden. Vermutlich wird das durch einen Parallelbetrieb von Analog- und Digitalfunk realisiert. Wenn ich auf mein Gefühl hörte, dann kann ich sagen: Wir werden für fünf bis zehn Jahre einen Parallelbetrieb fahren müssen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Dazu zählt, dass der Digitalfunk noch Kinderkrankheiten hat – doch das ist legitim, das ist normal.
Das Problem ist also, dass nicht alle Bundesländer gleich schnell ausgestattet werden und auch die unterschiedlichen Behörden – also Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst – nicht gleich schnell ausgestattet werden. Die Polizei wird schneller sein als die Feuerwehr. Da wird die Kommunikation zwischen Polizei und Feuerwehr schon in einem Bundesland schwierig.

Es gibt sehr unterschiedliche Beschaffungsmodelle für die Endgeräte und das Zubehör. In Hessen beispielsweise fand eine landesweite Ausschreibung statt, an der sich auch die Kommunen und Rettungsdienstorganisationen beteiligen konnten. Wie sieht es in Nordrhein-Westfalen aus?

Für die Polizei beschafft das Innenministerium zentral die Funkgeräte. Bei den Kommunen ist jeder auf sich selbst gestellt. Bei den kreisfreien Städten ist das kein Problem. Dann gibt es Landkreise, die eine zentrale Ausschreibung vornehmen, anschließend gemeinsam kaufen und auch gemeinschaftlich einführen. Aber es kann vorkommen, dass zwei nebeneinanderliegende Landkreise zu unterschiedlichen Zeiten einführen. Das kann zu Problemen führen.

Verfügen die Kommunen über ausreichende Finanzmittel? Haben sie genügend hohe Rückstellungen gemacht?

Wir haben sie seitens der Aufsichtsbehörde rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht. Viele Kommunen haben Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Das Problem ist aber, dass wir den Termin für die Einführung des Digitalfunks immer wieder vor uns hergeschoben haben. Die Städte und Gemeinden haben teilweise schon im letzten Jahr Geld in den Haushalt eingestellt, das nicht abgerufen wurde. Allerdings war es nicht problemlos möglich, diese Finanzmittel in das kommende Haushaltsjahr zu übertragen. Die Kommunen haben alle Geld eingestellt – aber ob alle ausreichende Mittel für eine schnelle Beschaffung eingestellt haben, wage ich zu bezweifeln.

Ein weiteres großes Thema ist die Schulung der Einsatzkräfte für die neue Technik. Sind die Feuerwehren darauf vorbereitet? Bieten die Landkreise etwas an oder wird hier die Landesfeuerwehrschule aktiv?

Bei einem Blick in die Bundesrepublik kann ich feststellen, dass die Länder ihre Landesfeuerwehrschulen eigentlich darauf vorbereitet haben. Das müsste bis auf die Kreise heruntergebrochen worden sein. Wenn ich Nordrhein-Westfalen sehe, dann hat das Institut der Feuerwehr die Vorbereitungen getroffen. Dort werden jetzt auch schon Einführungsschulungen für die Multiplikatoren durchgeführt. Das geht dann herunter bis auf die Kreisebene. Das Dumme ist: Learning by doing geht derzeit noch nicht. Man kann zwar im Direkt-Mode funken – das ist kein großer Unterschied zum bisherigen 2-Meter-Funk – aber der Fahrzeugfunk findet nicht statt. Das ist manchmal ein bisschen schwierig. Ich bilde zwar die Leute aus, aber diese können die Technik noch gar nicht ausprobieren.

Die nächste große „Baustelle“ sind die Leitstellen. Wie ist hier Ihre Einschätzung?

Die Anbindung der Leitstellen ist sicherlich eine große Baustelle. In vielen Ländern wird es ja keine drahtgebundene Anbindung geben, sondern nur eine über die Luftschnittstelle. Diese Luftschnittstelle ist meines Wissens nicht klar definiert, der Übergabepunkt ist ein Problem – das ist eine Finanzierungsfrage. Das bereitet mir im Moment Sorgen. Es sind derzeit mehr Fragen offen, als Antworten gegeben werden.

Die Objektversorgung ist ein Thema, zu dem der Deutsche Feuerwehrverband frühzeitig ein Merkblatt herausgegeben hat. Bewegt dieses Thema die Feuerwehr in Ihrem Umfeld?

Das bewegt die Feuerwehren sehr, denn die Objektversorgung ist ein wichtiges Thema. Aber: Wir haben dazu ein Gespräch mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft geführt. Dieser stellte sich die Frage: „Welche Objekte müssen überhaupt versorgt werden?“. Ich war über die Aussage erschrocken, dass es bundesweit weniger als 5.000 Objektfunkanlagen waren. Die Versicherungswirtschaft hat dann gesagt: „Bei diesen Zahlen legen wir auf eine Objektfunkversorgung keinen ganz großen Wert“. Deshalb fühlen wir uns als Feuerwehren etwas alleine gelassen. Ich bin mir nicht sicher, wie wir das lösen können.
Im Zusammenhang mit den Objektfunkanlagen möchte ich auch das Thema der Akzeptanz ansprechen. Ich gehe davon aus, dass wir es in den ersten beiden Jahren grundsätzlich mit Akzeptanzproblemen zu tun haben werden. Denn die Feuerwehren werden feststellen, dass in vielen Bereichen die Versorgung schlechter ist als vorher. Im Analogfunk haben wir nach meiner Einschätzung eine Flächenabdeckung von 95 bis 98 %. Das wird beim Digitalfunk am Anfang nicht so sein. Und das wird auch den Bereich des Objektfunks betreffen.

Wie sieht es mit weiteren Zukunftsthemen aus? Beispielsweise die Möglichkeit via Digitalfunk auch Daten zu übermitteln?

Mit dem jetzigen Digitalfunk-Standard wird es schwer möglich sein, bewegte Bilder zu übertragen, weil die Bandbreite das nicht hergibt. Das wäre aber das, was die Feuerwehr braucht.
Denn die Datenübermittlung ist für uns nicht ganz so interessant. Das machen Feuerwehr und Rettungsdienst schon jetzt, beispielsweise bei der Übertragung von Patientendaten. Die Einsatzstelle zu benennen ist auch kein Problem. Spannend wird es, wenn Objektpläne übermittelt werden können. Das kann man grundsätzlich auch per E-Mail übertragen, selbst wenn es die Bandbreite beim Digitalfunk hergibt.
Aber spannend wird es ja erst bei laufenden Bildern. Ob die Bilder direkt von der Einsatzstelle kommen oder aus der Luft an die Leitstelle übertragen werden, ist gleichgültig. Hier bin ich überzeugt, dass das eine Herausforderung der Zukunft in einem Zeitfenster von vielleicht zehn Jahren sein wird.
Man kann sich sogar vorstellen, dass schon Bilder von der Einsatzstelle in die anfahrenden Fahrzeuge übertragen werden – von Drohnen oder anderen Kamerasystemen. Ich bin davon überzeugt, dass das kommen wird.
Eine weitere Digitalfunk-Anwendung sehe ich in der Ortung unserer Feuerwehrleute. Zumindest im militärischen Bereich kann man heute schon ermitteln, wo sich Personen befinden. Das ist eine spannende Sache, die noch ausbaufähig sein wird. Denn die Einsatzleitung möchte natürlich gerne wissen, wo sich ihre Kräfte befinden. Diese per GPS-Ortung zur Verfügung gestellten Daten müssten dann per Funk übermittelt werden. Das wird an Bedeutung gewinnen und ist sicherlich eine Herausforderung für den Digitalfunk.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen und den Feuerwehren eine möglichst reibungslose Einführung der neuen Funktechnik.

Günther Fenchel, Chefredakteur, netzpraxis

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