Mit Stöckelschuhen durch die Röhre

2024_04

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An der TU Chemnitz wird ein Rettungsschlauch zur Bergung von Menschen aus hohen Gebäuden entwickelt.

„Mir war schon mulmig zumute, als ich gefragt wurde, ob ich es mir zutraue, einen Rettungsschlauch zur Bergung von Menschen aus hohen Gebäuden zu entwickeln. Ich befürchtete, die zu rettenden Menschen könnten durch die Reibung im Schlauch verbrennen. Aber ich war auch neugierig und sah das ingenieurtechnische Entwicklungspotenzial, das in der Idee steckte. Also nahm ich den Auftrag an.“ Das sagt Lars Jahreis, Projektleiter SRS an der TU Chemnitz, Bereich Fördertechnik Ende des Jahres 2012 nach Abschluss der ersten Projektphase.
Die Idee stammt von Mitarbeitern des Schweizer Unternehmens AH Invention AG im Nachgang zum Anschlag auf die beiden Türme des World Trade Centers am 9. September 2001 in New York. SRS steht daher für „Swiss Rescue System“ und soll der Rettung von Menschen dienen, denen in hohen Gebäuden der Rettungsweg nach unten über Treppen wegen Feuer und/oder Zerstörung abgeschnitten ist.

Die Idee sieht die Montage eines Rettungsschlauchs auf dem Dach oder in einer oberen Etage des Gebäudes vor. Das Evakuierungssystem kann im Notfall vollautomatisch entlang der Fassade zum Boden herabgelassen und mit Stahlseilen verankert werden. Der Schlauch mündet am Ende auf eine Rutsche. Die Schweizer meldeten die Idee zum Patent an und erstellten einen Prototyp, der jedoch nicht funktionierte. Daraufhin wandten sie sich an der TU Chemnitz. Und dort wurde das Thema aufgegriffen und von der Sächsischen Aufbaubank mit 1,4 Mio. Euro unterstützt.

Luftkammern bestimmen die Geschwindigkeit

Nun ist die erste Projektphase abgeschlossen. Das Ergebnis ist ein Schlauch aus dem Kunststoff Aramid, der nach außen mit Aluminium beschichtet ist. Damit trotz er der Hitze und dem Rauch des Feuers. Sein Inneres wird durch Luftkammern mit Ventilen und Zwischenböden bestimmt. Was und wer auch immer durch den Schlauch gleitet, macht das mit einer Geschwindigkeit von etwa vier bis sechs Kilometer pro Stunde. „Der Mensch im Schlauch bremst sich mit seinem eigenen Volumen“, hat Lars Jahreis ermittelt. „Dünne fallen nicht durch, und Dicke bleiben nicht hängen. Das Material trotzt auch spitzen Gegenständen, wozu im Ernstfall auch die Stöckelschuhe der Damen des Hauses gehören dürfen“, ergänzt der junge Wissenschaftler.

Durch den Fall entsteht ein Luftsog, der frische Luft in den Schlauch bringt. Wie viel Personen pro Minute auf diese Weise gerettet werden könnten, wurde noch nicht ermittelt. Aber das dabei keiner verbrennt, das ist sicher. Die Temperatur im Schlauch übersteigt die Marke von 15 Grad Celsius nicht.

Stahlseile sind zu schwer

Zu diesen Erkenntnissen führten die Versuche an einem 24 m hohen Turm in Görlitz. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand könnte das Rettungsschlauchsystem auch an mehrere hundert Meter hohen Wolkenkratzern eingesetzt werden. „Aber da müssten die zur Stabilisierung nötigen Stahlseile durch Faserseile ersetzt werden, weil der Stahl unter seiner Eigenlast zerreißen würde“, verrät Jahreis. Der Versuch in Görlitz begann mit dem Einwerfen von Säcken und Dummys in den Rettungsschlauch, die am Ende über eine Rutsche sicher auf den Boden kamen. Nachdem die Versuche mit toten Gegenständen erfolgreich verlaufen waren, hat sich auch Lars Jahreis in die Röhre gewagt. „Ich war zwar angeseilt, trug Schutzkleidung und hatte Vertrauen in meine Erkenntnisse. Aber ein wenig bange war mir dennoch“, gesteht er im Nachhinein.

Sponsoren gesucht

Für die weitere Forschung sucht Projektleiter Jahreis Investoren, Unternehmen, die ein Eigeninteresse an der Entwicklung eines solchen Rettungsschlauchsystems haben. Seines Wissens stehen Gebäudeversicherungen einem solchen Rettungssystem sehr positiv gegenüber. „Wer sich solche Rettungstechnik anschafft, braucht weniger Versicherungsbeiträge zu bezahlen.“ Um aus dem reinen Versuchsstadium herauszukommen, sucht er ein 50 m hohes Referenzgebäude, an dem unter realen Bedingungen weitere Erkenntnisse gewonnen werden können. Das Gebäude sollte idealerweise in Sachsen stehen, weil dann weiterhin mit landesansässigen Partnern und finanziellen Mitteln des Landes gearbeitet werden könnte.
Klaus Zwingenberger

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