Sonderschutz für Superarchiv

2024_04

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Der Barbarastollen in Oberried genießt seit 40 Jahren besonderen Schutzstatus der UNESCO. Im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland werden Sicherungsfilme eingelagert. Es handelt sich um den Untersuchungsstollen eines ehemaligen Silberbergwerkes. Die geologische Struktur des Stollens besteht aus Granit und Gneis. Der Stollen wurde mit Schalbeton ausgekleidet und mit Drucktüren abgesichert.

Der Barbarastollen steht als einziges Objekt in der Bundesrepublik Deutschland unter Sonderschutz nach den Regeln der Haager Konvention. (Foto: BBK)

Etwas außerhalb des Schwarzwaldortes Oberried am westlichen Fuß des Freiburger Hausbergs Schauinsland liegt der Barbarastollen. Fernab von Hauptverkehrsadern oder Industrie stoßen höchstens Wanderer zufällig auf den einstigen Bergbaustollen. Doch diese Abgeschiedenheit ist ein wichtiger Grund, warum der Stollen seit 40 Jahren, genauer: seit dem 24. April 1978, unter dem Sonderschutz nach der Haager Konvention steht. Dieser Status wird nur wenigen, besonders schützenswerten Kulturstätten verliehen – unter schwer zu erfüllenden Bedingungen. Doch wie kommt einer der wichtigsten Kulturorte in den Schwarzwald?

Entstehung des Zentralen Bergungsortes

Unter dem Eindruck der immensen Zerstörungen in zwei Weltkriegen haben sich große Teile der Weltgemeinschaft darauf verständigt, Kulturgüter in bewaffneten Konflikten unter Schutz zu stellen. Mit der Haager Konvention von 1954 wurde die Zerstörung von Kulturgütern in Kriegen international verurteilt. Immer wieder sollten Völker und Glaubensgemeinschaften durch Zerstörung oder Raub ihrer Kulturgüter gedemütigt, erpresst oder demoralisiert werden. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit sind die Attacken des Islamischen Staates gegen Museen in Mossul und assyrische Ruinen aus dem Frühjahr 2015. Im gleichen Jahr hat erstmals seit Bestehen der Haager Konvention auch der Weltsicherheitsrat die Zerstörung und Plünderung von Kulturgut als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gebrandmarkt.

Die Haager Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, schon in Friedenszeiten für den Kulturgutschutz vorzusorgen. Diese Aufgabe übernimmt in Deutschland das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit Sitz in Bonn. Um die Vorgaben der Konvention umzusetzen, wurde in Deutschland in den 1960er Jahren unter anderem mit der Sicherungsverfilmung von national wertvollem Archivmaterial begonnen. Während des Kalten Krieges war die Angst vor Atomangriffen und einer flächendeckenden Zerstörung groß. Um die angefertigten Filme bestmöglich vor Zerstörung und dem Zahn der Zeit zu schützen, wurden sie ab 1975 im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik im Barbarastollen in Oberried bei Freiburg in speziellen Edelstahlfässern eingelagert.

Besonders strenger Schutz für Superarchiv

So entstand ein Superarchiv der deutschen Geschichte und Kultur im Schwarzwald. Es ist gekennzeichnet mit einem dreifachen Kulturgutschutzzeichen als Symbol für den Sonderschutz. Das findet man in Deutschland nur am Barbarastollen. In Europa tragen dieses Siegel nur noch große Teile des Vatikans und drei Bergungsorte in den Niederlanden. In Kapitel II der Haager Konvention heißt es im Artikel 8 zur Voraussetzung für die Gewährung des Sonderschutzes von Bergungsorten, „dass diese sich in ausreichender Entfernung von einem großen Industriezentrum oder einem wichtigen militärischen Ziel, das einen gefährdeten Punkt darstellt, befinden, wie zum Beispiel ein Flugplatz, ein Rundfunksender, ein für die Landesverteidigung arbeitender Betrieb, ein verhältnismäßig bedeutender Hafen oder Bahnhof oder ein Hauptverkehrsweg.“ Das ist am Barbarastollen gegeben.

Aktuell lagern hier rund 1550 Edelstahltonnen mit Mikrofilmen ein. Jede Tonne ist mit rund 21 Kilometern Film gefüllt. Die wichtigsten Dokumente mit besonderer Aussagekraft zur deutschen Geschichte und Kultur werden systematisch erfasst und Bild für Bild auf Mikrofilm gesichert. Über eine Milliarde Aufnahmen sind so bisher im Stollen untergebracht. Jedes Jahr kommen weitere 20 bis 40 Millionen Aufnahmen dazu.

Daten des Stollens

  • Ort: Oberried, Nähe Kirchzarten bei Freiburg
  • Geologische Struktur: Gneis/Granit
  • Überdeckung im Lagerbereich über 200 m
  • Länge Hauptstollen: 680 m
  • Länge Lagerstollen: je 50 m
  • 2 Lagerstollen bei 340 m und 390 m ab Mundloch
  • Stichhöhe: 3,00 m
  • Breite: ca. 3,40 m
  • Klima: nicht klimatisiert
  • Temperatur: 10°C ± 2°C
  • Relative Luftfeuchtigkeit: durchschnittlich 70 %

Maßnahmen zur Umsetzung der Haager Konvention in Deutschland

Der Barbarastollen ist in Deutschland das einzige Objekt mit Sonderschutz nach der Haager Konvention. Zum Schutz weiterer Kulturgüter unterstützt der Bund die Länder durch weitere Maßnahmen, die auch im Frieden nützlich und wichtig sind. So bildet das BBK etwa Führungspersonal aus Museen, Archiven und Bibliotheken aus, unterstützt bei der Identifizierung und Kennzeichnung unbeweglicher Kulturgüter und gibt den Sicherheitsleitfaden Kulturgut (Silk) heraus – eine Online-Datenbank, die als umfassendes Nachschlagewerk für sämtliche Fragen der Sicherheit für Museen, Bibliotheken und Archive dient.

Einlagerungsstatistik

  • Material eines Einlagerungsbehälters: V-2-A-Edelstahl
  • Höhe: ca. 78 cm
  • Durchmesser: ca. 43 cm
  • Gesamtgewicht: ca. 122 kg
  • Inhalt der Behälter: 16 Großrollen
  • Filme: Polyester-Film (Dicke 7/100 mm, Breite 35 mm)
  • 1 Behälter enthält: 21.120 m
  • 1 Meter Film umfasst durchschnittlich 33 Aufnahmen

Bisher wurden rund 32 Tausend Kilometer Mikrofilm (über eine Milliarde Aufnahmen) hergestellt und eingelagert. Darin enthalten sind 8,2 Millionen Meter (rund 244 Millionen Aufnahmen) aus dem Archiv der ehemaligen DDR.

BBK

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