Sicher durch Eis und Schnee

2024_05

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Es ist gar nicht so einfach, bei winterlichen Bedingungen ein Einsatzfahrzeug sicher zum Ereignisort zu fahren. Neben Erfahrung und Geschick des Maschinisten spielen auch der Zustand und die Ausstattung des Fahrzeugs eine wesentliche Rolle. Besonderes Augenmerk ist auf die geeignete Bereifung zu legen.

Winterliche Straßenverhältnisse: Sie erfordern nicht nur die richtigen Reifen, sondern ggf. sogar Schneeketten. (Foto: FF Ottendorf)

Bereits vor über zehn Jahren, nämlich zum  1. Mai 2006, wurde nach längerer Diskussion, sehr schlechten Erfahrungen aller Verkehrsteilnehmer und der Verkehrsdienste mit zahlreichen Kfz mit völlig ungeeigneter Bereifung im Winter der § 2 Absatz 3a der Straßenverkehrsordnung (StVO) geändert, um eine Art Winterreifenpflicht einzuführen. In der Folge ergaben sich viele Diskussionen durch die unglückliche Formulierungen und so wurde, u.  a. nach einem Gerichtsurteil des OLG Oldenburg, zum 4. Dezember 2010 und zuletzt zum 1. Juni 2017 der §  2 Abs. 3a der StVO geändert und präzisiert.

Er lautet seither im Wortlaut: „(3a) Der Führer eines Kraftfahrzeuges darf dies bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte nur fahren, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet den allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen. Satz 1 gilt nicht für

  1. Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft,
  2. einspurige Kraftfahrzeuge,
  3. Stapler im Sinne des § 2 Nummer 18 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung,
  4. motorisierte Krankenfahrstühle im Sinne des § 2 Nummer 13 der Fahrzeug-Zulassungs-Verordnung,
  5. Einsatzfahrzeuge der in § 35 Absatz 1 genannten Organisationen (*1), soweit für diese Fahrzeuge bauartbedingt keine Reifen verfügbar sind, die den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen und
  6. Spezialfahrzeuge, für die bauartbedingt keine Reifen der Kategorien C1, C2 oder C3 verfügbar sind.

Kraftfahrzeuge der Klassen M2, M3, N2, N3 dürfen bei solchen Wetterbedingungen auch gefahren werden, wenn mindestens die Räder

  1. der permanent angetriebenen Achsen und
  2. der vorderen Lenkachsen(*2)

mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßen­verkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen.

Soweit ein Kraftfahrzeug während einer der in Satz 1 bezeichneten Witterungslagen ohne eine den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügende Bereifung geführt werden darf, hat der Führer des Kraftfahrzeuges über seine allgemeinen Verpflichtungen hinaus

  1. vor Antritt jeder Fahrt zu prüfen, ob es erforderlich ist, die Fahrt durchzuführen, da das Ziel mit anderen Verkehrsmitteln nicht erreichbar ist,
  2. während der Fahrt
    a) einen Abstand in Metern zu einem vorausfahrenden Fahrzeug von mindestens der Hälfte des auf dem Geschwindigkeitsmesser in km/h angezeigten Zahlenwertes der gefahrenen Geschwindigkeit einzuhalten,
    b) nicht schneller als 50 km/h zu fahren, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist.

Wer ein kennzeichnungspflichtiges Fahrzeug mit gefährlichen Gütern führt, muss bei einer Sichtweite unter 50 m, bei Schneeglätte oder Glatteis jede Gefährdung anderer ausschließen und wenn nötig den nächsten geeigneten Platz zum Parken aufsuchen.“

Für geländegängige Fahrzeuge gibt es oft gar keine Winterreifen, sondern grob profilierte Geländereifen.

Anforderungen 2017

Weitere wichtige Änderungen ergeben sich außerdem aus §  36 Absatz 4 der StVZO mit den Änderungen zum 1. Juni 2017:

„(4) Reifen für winterliche Wetterverhältnisse sind Luftreifen im Sinne des Absatzes 2,

  1. durch deren Laufflächenprofil, Laufflächenmischung oder Bauart vor allem die Fahreigenschaften bei Schnee gegenüber normalen Reifen hinsichtlich ihrer Eigenschaft beim Anfahren, bei der Stabilisierung der Fahrzeugbewegung und beim Abbremsen des Fahrzeugs verbessert werden, und
  2. die mit dem Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) nach der Regelung Nr. 117 der Wirtschaftskommission der Vereinten Natio­nen für Europa (UNECE) – Einheitliche Bedin­gungen für die Genehmigung der Reifen hinsichtlich der Rollgeräuschemissionen und der Haftung auf nassen Oberflächen und/oder des Rollwiderstandes (ABl. L 218 vom 12.  08. 2016, S. 1) gekennzeichnet sind.“

Während es für die Bezeichnung „M+S“ keine einheitlichen Prüfkriterien gab und gibt, muss beim Alpine-Symbol der Reifen mit einem standardisierten Modell verglichen werden und einheitliche Prüfverfahren und strenge Kriterien überstehen.

Übergangsfristen: Bis zum 30. September 2024 gelten Reifen mit M+S-Kennzeichnung als wintertauglich, wenn sie bis zum 31. Dezember 2017 hergestellt worden sind.

„Übersetzt“ bedeutet dies: Die Winterreifenpflicht ist seit 4. Dezember 2010 in Deutschland eingeführt. Sie ist nicht an ein Datum gebunden, sondern an den Straßenzustand. Sie ist damit keine grundsätzliche, sondern eine situative Winterreifenpflicht.

M+S-Reifen (M+S = Matsch und Schnee) dürfen nur noch bis 30. September 2024 als Winterreifen verwendet werden (also nicht mehr im Winter 2024/2025) – und auch nur, wenn sie vor dem 31. Dezember 2017 hergestellt worden sind.

Wegen der normalerweise längeren Verwendungszeit (bis zu zehn Jahre) sollten daher KEINE M+S-Reifen mehr als Winterreifen beschafft werden, sondern nur noch solche (ggf. auch Ganzjahres-)Reifen, die mit dem Alpine-Symbol gekennzeichnet sind.

Die Winterreifenpflicht gilt grundsätzlich für alle Kraftfahrzeuge (und damit nicht für Anhänger!), aller­dings nur, wenn diese bei den entsprechenden Straßenverhältnissen auch genutzt werden.

Für Lkw über 3,5 t und Omnibusse mit mehr als acht Sitzplätzen sind Winterreifen bis 30. Juni 2020 nur auf den Antriebsachsen vorgeschrieben. Ab 1. Juli 2020 müssen Lkw und Busse auf den vorderen Lenkachsen mit Winterreifen ausgestattet sein.

Land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge sowie Einsatzfahrzeuge der in § 35 Absatz 1 genannten Organisationen, soweit für diese Fahr­zeuge bauartbedingt keine geeigneten Winterreifen verfügbar sind, sind ebenfalls ausgenommen.

Beachten Sie die Winterreifenpflicht unbedingt. Falsche Reifen dürften wenigstens als grob fahr­lässiger, wenn nicht sogar vorsätzlicher Verstoß gewertet werden, wenn die Bereifung mit ursächlich für den Unfall gewesen ist. Dies hat entsprechende Folgen für unfallbedingte straf- und zivilrechtliche Prozesse gegen Fahrer und mittlerweile eindeutig auch gegen die Halter der Fahrzeuge.

Schleuderketten sind als Anfahrhilfe und für geringere Schneehöhen geeignet, aber kein Ersatz für Schneeketten. (Foto: U. Cimolino)

 

Geländegängige Fahrzeuge

Unabhängig von der mehrfach aktualisierten Rechtslage ist für die Diskussion weiter zu be­achten:

Sind S+G- bzw. All-Terrain-Reifen oder reine Geländereifen auch geeignete Reifen (z.  B. auf single-bereiften Einsatzfahrzeugen der Lkw-Klasse, aber auch auf richtigen Geländewagen), auch wenn diese nicht als Winterreifen gekennzeichnet sind?

Vor allem bei Allradfahrgestellen (z.  B. HLF, TLF, RW) gibt es nicht unbedingt geeignete bzw. als solche gekennzeichnete Winterreifen oder auch nur M+S-Reifen. Insbesondere bei der Reifengröße 10  R 22,5 scheint es große Lieferprobleme für die Bedienung Allrad (also gewisse Geländeeignung) und M+S zu geben.

Hier ist die Rechtslage auch der überarbeiteten StVO § 2 Absatz 3a leider nach wie vor unklar, weil dort nur die Einsatzfahrzeuge, für die es keine Winter­reifen gibt, von der Winterreifenpflicht aus­genommen sind. (Natürlich gibt es für viele Lkw bzw. Geländewagen auch Winterreifen, diese haben dann aber oft kein echtes Geländeprofil, z.  B. MPT.)

Lösungsansätze:

  1. Entsprechende Präzisierungen einschlägiger Ministerien suchen bzw. einfordern und ggf. im Fahrzeug mitführen. Das IM Sachsen-Anhalt führte zur Winterreifenpflicht 2010 entsprechend dazu in seiner Handlungsempfehlung zum Umgang mit der Winterreifenpflicht vom 4. Januar 2011 aus (das Schreiben ist nach wie vor abrufbar, wie auch die genannte EWG-Richtlinie im Wortlaut auch 2018 noch gilt): „Wie das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) auf Anfrage mitgeteilt hat, ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Reifen als M+S-Reifen anzusehen ist, ausschließlich die Übereinstimmung mit dem im Verordnungstext genannten Anhang  2 Nummer  2.2 der Richtlinie 92/23/EWG entscheidend.
    Dieser besagt (Zitat): ,M+S-Reifen: Reifen, bei denen das Profil der Lauffläche und die Struktur so konzipiert sind, dass sie vor allem in Matsch und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften gewährleisten als normale Reifen. Das Profil der Lauffläche der M+S-Reifen ist im allgemeinen durch größere Profilrillen und/oder Stollen gekennzeichnet, die voneinander durch größere Zwischenräume getrennt sind, als dies bei normalen Reifen der Fall ist.‘“
    Wenn die zu beurteilenden Reifen die vorgenannten Eigenschaften besitzen, dürfen sie als M+S-Reifen im Sinne des § 2 Absatz 3a StVO angesehen werden. Nach Auskunft des BMVBS ist das Vorhandensein einer entsprechenden Kennzeichnung bei Nutzfahrzeugen nicht zwingend erforderlich.
  2. Beim Reifenhersteller recherchieren, ob dieser den entsprechenden Geländereifen auch als M+S-Reifen (= Winterreifen) ansieht. Diese Bestätigung im Fahrzeug mitführen!
  3. Geeigneten Kfz-Sachverständigen mit einem entsprechenden Gutachten beauftragen. Dieses im Fahrzeug mitführen!

Ganzjahresreifen und Winterreifen

Was sind nun aber geeignete Ganzjahres- oder Winterreifen? Die E DIN 14502-2 empfiehlt in Ergänzung zur DIN EN 1846 im Abschnitt 4.1.3 bisher z.  B. auf den angetriebenen Achsen eine Traktionsbereifung mindestens ähnlich einer M+S-Bereifung.

Echte Ganzjahres- bzw. Winterreifen verfügen nicht nur über ein anderes Profil (speziell für Schnee, Eis bzw. Schneematsch), sondern im Pkw-Bereich vor allem auch über eine andere (auch bei niedrigen Temperaturen weiche) Gummimischung als Sommerreifen. Einige Lkw-Hersteller verwenden dagegen für alle Lkw-Reifen in Mitteleuropa die gleichen Gummimischungen, die auch ausreichend „weich“ für die üblichen winterlichen Straßenverhältnisse sind. Echte Ganzjahres- bzw. Winterreifen bieten daher bei Temperaturen unterhalb etwa + 7  °C einen kürzeren Bremsweg, eine bessere Traktion und Spurstabilität sowohl auf nasser als auch auf trockener Fahrbahn.

Ganzjahresreifen sind in der Mischung etwas härter als Winterreifen, aber immer noch weicher als reine Sommerreifen.

Winterreifen sind für Einsatzbereiche mit relativ hohen Temperaturen nicht so gut geeignet, weil dann die Gummimischung zu weich wird. Dadurch sinkt die Haftung bei steigendem Verschleiß. Das ist besonders ein Problem für Spediteure, die z.  B. von Hamburg über die Alpen bis in die Türkei oder nach Süditalien fahren müssen.

Beim Einsatz von Winterreifen (wie auch ggf. noch von M+S-Reifen in der Übergangsfrist) ist §  36 Absatz 5 der StVZO zu beachten:

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit muss im Blickfeld des Fahrzeugführers sinnfällig angegeben sein, außer wenn die für die Winterreifen zulässige Höchstgeschwindigkeit im Betrieb nicht überschritten werden kann.

Stabile Gleitschutzketten können nicht nur auf Schnee, sondern auch in schwerem Gelände eine wertvolle Traktionshilfe sein. (Foto: Spikowski,FW Düsseldorf)

 

Schneeketten

Führen Sie in der Wintersaison grundsätzlich Schneeketten auf den Einsatzfahrzeugen mit – oder halten Sie diese mindestens anderen Standorten in ausreichender Zahl vor. Allradfahrzeuge sollten dabei auch Ketten für die Vorderachse (= Lenkachse!) nutzen können. Anfahrhilfen (Schleuderketten) sind für den Anfahrbereich und geringere Schneehöhen gut geeignet, aber KEIN Ersatz für Schneeketten. Sie sind darüber hinaus für Lkw, die in schwerem Gelände eingesetzt werden sollen, ungeeignet, da die Aufhängungen in den Fahrspuren mit hoher Wahrscheinlichkeit beschädigt werden.

Tipps und Hinweise

Ab Juni 2017 wird auch der Halter zur Verantwortung gezogen, wenn er zulässt oder sogar anordnet, dass sein Fahrzeug bei Schnee oder Glatteis ohne Winterreifen unterwegs ist. Dafür ist nun eine Regelgeldbuße von 75 Euro vorgesehen.

Winterreifen- bzw. -profilübersichten (Achtung: vor allem für Pkw, Geländewagen und Transporter!) gibt es immer wieder (generell jährlich aktu­alisiert) in den einschlägigen Fachzeitschriften sowie z.  B. bei den Reifenherstellern.

Reifenhersteller (z.  B. Continental) lieferten 2018 in einer Tabelle zahlreiche Hinweise über Vorgaben zur Winterausrüstung von Bussen und Lkw in anderen europäischen Ländern (wichtig bei grenzübergreifenden Transporten, Einsätzen und anderen Fahrten):

▶ www.continental-reifen.de/bus-und-lkw/reifenwissen/wintervorschriften

Dr. Ulrich Cimolino

(*1) Achtung: Der „Rettungsdienst“ ist ausdrücklich NICHT in § 35 Absatz 1 StVO als Organisation genannt. Dort sind nur die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst konkret genannt.

Nach § 35 Absatz 5a StVO sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes nur von den Vorschriften (der StVO) befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.

Das bedeutet, dass alle Fahrzeuge von Organisationen des Rettungsdienstes, die nicht z.  B. als Feuerwehrfahrzeug (Sonder-Kfz Feuerwehr) zugelassen sind oder nicht erklärtermaßen dem Katastrophenschutz zugehörig sind, mit Winterreifen versehen werden MÜSSEN. (Egal, ob es für diese Fahrzeuge nach den Ausnahmenbeschreibungen „bauartbedingt“ – serien­mäßig? – überhaupt geeignete Reifen gibt oder nicht.)

Besitzt also eine Organisation entsprechende Fahrzeuge, z.  B. G-RTW, GW-Küche, Schwerlast- oder Intensivtransportwagen etc., die nicht unter die Sonder-Kfz Feuerwehr bzw. die Verwendung im Katastrophenschutz fallen, dann müssen die Fahrzeuge entweder so ertüchtigt werden, dass dafür geeignete Reifen beschafft und verwendet werden, oder die Fahrzeuge dürfen ohne entsprechende Reifen unter den Voraus­setzungen der Winterreifenpflicht NICHT genutzt werden! Auch eine Verwendung im Einsatzfall ist sonst nicht möglich!

(*2) Hier gibt es noch eine Ausnahme bis längstens 30. Juni 2020, vgl. DSLV, 2017 (siehe Literatur). Diese Ausnahme ist aber an Bedingungen geknüpft! Meine Auffassung dazu: Werden vor dem 30. Juni 2020 noch M+S-Reifen auf der/den (vermutlich nur vorderen) Lenkachse/n genutzt, die vor dem 31. Dezember 2017 produziert wurden, sind diese bis zum 30. September 2024 als Winterreifen anerkannt und das ist damit zulässig.

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