Berufsfeuerwehren in Ungarn 2010

2024_05

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Zu Besuch bei drei Berufsfeuerwehren

Kaputt, nass bis auf die Haut und durchgefroren kommen die Löschkräfte vom Einsatz zurück auf die Wache. Nun erst mal ins warme Wasser des eigenen Hallenbades, dann in der Sauna die Kälte ausschwitzen und anschließend sich vom Masseur wieder einsatzfit kneten lassen! Nur ein schöner Traum ist das nicht. Für die Tüsoltók (Feuerwehrmänner) der BF Tatabánya im Norden Ungarns, nur 50 Kilometer von der Hauptstadt Budapest entfernt, ist das teilweise Realität.

Traumhaft: Das Hallenbad der BF Tatabànya wird nicht nur für den Dienstsport und die Erholung der Feuerwehrleute genutzt. Es ist auch das Ausbildungszentrum für landesweit die ungarischen Feuerwehrtaucher.

Ungarn hat fünf Arten von Feuerwehren: die staatliche Berufsfeuerwehren (nur auf Flughäfen und im Parlament), städtische Berufsfeuerwehren, Freiwillige Feuerwehren (müssen in 8 bis 10 Minuten ausgerückt sein), Betriebsfeuerwehren und Feuerwehrvereine.
Grundlage des modernen Feuerwehrwesens bildet ein Regierungsgesetz von 1996 und verschiedene Erlasse. Darin sind die Alarmierung, die Eingreifzeiten, Ausrückbereiche usw. geregelt. Die ungarischen Berufsfeuerwehren führen neben dem operativen und vorbeugenden Brandschutz (VB) auch die Brandursachenermittlung durch.

Im Folgenden werden drei Berufsfeuerwehren des Komitats (vergleichbar einem Landkreis) Komarom-Esztergom im Nordwesten Ungarns vorgestellt.
Der Dienst der Berufsfeuerwehren läuft in drei Wachschichten im 24-Stundenrythmus, gefolgt von 48 Freistunden.
Die Personalstärke der drei Wehren sind recht unterschiedlich – 71 in Esztergom, 67 in Komárom und 123 Tatabánya–, abhängig von der Größe der Städte, der Wirtschaft, der Infrastruktur und dem damit verbundenem Gefahrenpotential.
Vieles ist bei den ungarischen Wehren standardisiert. Jede Berufsfeuerwehr hat ihre eigene Funkzentrale. Dort laufen auch die Notrufe unter der Nummer 105 auf.
Die Notrufnummer 112 gibt es auch, die Anrufe gehen jedoch bei der Komitatspolizei ein und werden an die zuständigen Feuerwehren weitergeleitet. Selbstverständlich wird Digitalfunk genutzt.
Die Leiter der Wehren verfügen in der Regel über Kombigeräte, die sowohl Telefonieren erlauben als auch den Funkverkehr über unterschiedliche Frequenzen zu den Nachbarwehren und anderen wichtigen Institutionen zulassen.
Geht ein Notruf ein, entscheidet der Wachschichtleiter über die auszurückenden Kräfte. Der Dienstbetrieb ist straff organisiert.
Fahrzeugbeschaffungen erfolgen, in dem sich die Feuerwehr beim Ministerium in Budapest für ein bestimmtes Fahrzeug bewirbt. Diese werden in Kontingenten beschafft. Vom Kaufpreis werden vom Land 80 Prozent getragen, 20 Prozent muss die jeweilige Stadt aufbringen. Vorherrschend sind bei den Löschfahrzeugen Mercedesfahrgestelle mit Rosenbaueraufbauten sowie Renaultchassis mit Saurus- und neuerdings Herosaufbauten. Heros ist eine junge Feuerwehraufbaufirma in Budapest.

Feuerwehr Esztergom
Estergom ist als Schul- und Hochschulstandort eine weltoffene Stadt. Jährlich weilen über eine Million Touristen hier. Und nachdem die im 2. Weltkrieg gesprengte Donaubrücke im Jahr 2001 wieder aufgebaut wurde, hat Esztergom direkte Verbindung zu Štúrovo in der benachbarten Slowakei. Zu den weltweit neun Städtepartnerschaften gehören auch Bamberg, Ehingen und Maintal bei Frankfurt sowie der Main-Kinzig-Kreis.
Das historische Esztergom ist eine der ältesten Städte Ungarns. Ab dem 10. Jahrhundert war sie Hauptstadt, Königs- sowie Erzbischofssitz. In der Kleinstadt leben heute 31.000 Menschen. Die im Jahre 1868 gegründete BF Esztergom zählt neben der BF Sopron (1866 gegründet) zu den ältesten Wehren Ungarns. Sie ist in der 1953 erbauten und in den Jahren 1978 und 1983 erweiterten Wache untergebracht. Die Wachschichtstärke beträgt 19 Mann, wobei die Untergrenze bei 12 Mann liegt, die immer im Dienst sein müssen.
Leiter der Berufsfeuerwehr ist im Range eines Majors seit 2007 Zoltàn Boda. In Esztergom geboren, hat er an der Universität in Budapest Brandschutz und Sicherheitstechnik studiert und bringt knapp 20 Jahre Berufserfahrung im Feuerwehrbereich mit.
Er und seine Mannschaft betreuen eine große Anzahl an besonders gefährdeten Objekten. Neben dem eigentlichen Stadtgebiet ist die Berufsfeuerwehr operativ für 12 weitere Orte in der Umgebung Esztergoms zuständig. Im Bereich des VB und der Brandermittlung für 20 weitere Kommunen. Hier überschneiden sich teilweise die Grenzen mit den Nachbarwehren. 2009 hatte die BF u. a. 384 Brandeinsätze und 259 technische Hilfeleistungen zu bewältigen. Bei diesen Einsätzen starben 13 Menschen und 57 wurde verletzt.
Obwohl standardisiert, weist der moderne Fuhrpark der BF doch einige Besonderheiten auf. Die DLK 37 von Magirus stammt aus einer Landesbeschaffung, die 20 Prozent des Kaufpreises trug jedoch nicht die Stadt, sondern das ungarische Tochterunternehmen der japanischen Suzuki Motor Corporation. Diese unterhält seit 1993 in Esztergom ein Zweigwerk zur Produktion von Kleinwagen. Da keine Werkfeuerwehr unterhalten wird, übernimmt die BF den Schutz mit, erhält jedoch wie im Falle der DLK finanzielle Zuwendungen von Suzuki.

Fahrzeuge der BF Esztergom
VRW               Nissan Navara 2,5 TD             Eigenaufbau, Bj. 2009
TLF 2000       Mercedes Benz 1124 AF         Rosenbauer, Bj. 1997
TLF 4000       Mercedes Benz 1234               Rosenbauer, Bj. 1998
DLK 37           Iveco 160 E 30                          Magirus, Bj. 2008
TLF 4000       Steyr 12 S 23                             Saurus
TLF 3000       CAFS  MB Unimog U 500       Rosenbauer, Bj. 2008
Kdow              Toyota Landcruiser                 Eigenaufbau
TLF 2000 (Reserve) IFA W 50

TLF 3000 CAFS: Das TLF 3000 CAFS auf einem Fahrgestell Unimog U 500 lieferte Rosenbauer im Jahre 2008 nach Esztergom.

BF Komárom
Das heutige Komárom hat sich auf ungarischer Seite erst nach dem 2. Weltkrieg entwickelt. Früher war dies das Industriegebiet einer blühenden Stadt beiderseits der Donau, die Wohnsiedlungen lagen am anderen Ufer, heute Slowakei.
So war auch die heute von der Berufsfeuerwehr genutzte Wache ursprünglich Standort der Werkfeuerwehr einer Raffinerie. Diese beginnt direkt hinter dem Wachgrundstück und ist eine der bedeutendsten Raffinerien Ungarns.
Unter der Leitung von Oberstleutnant Istvàn Simon erlebte die BF einen erheblichen Aufschwung. Zu den beiden TLF 4000 (Bj. 2000 und 2005) wurden 2008 eine moderne L 32 von Metz und zum St. Florianstag 2010 ein TLF 4000 in Dienst gestellt. Einzigartig weltweit ist im Fuhrpark das GTLF 8000 auf einem MB 2641 aus dem Jahre 2005. Es wurde von der Firma Heros nach Plänen einer Arbeitsgruppe der BF aufgebaut.
Der Einsatzbereich der BF umfasst Komárom und 28 weitere Orte mit ca. 56.000 Einwohnern im vorbeugenden Brandschutz, während der operative Brandschutz für ca. 36.000 Menschen gestellt wird. Im Ausrückbereich sind große Firmen der Elektroindustrie (Nokia) ebenso zu betreuen, wie die Raffinerie mit einer neuen Biodieselproduktion sowie einer Tankwagenabfüllstation, eine Gaserdlager, ein Krankenhaus in einem ehemaligen Schloss und ein Behindertenwohnheim.
Mit der Partnerfeuerwehr Naumburg in Nordhessen ist man freundschaftlich verbunden.

Fahrzeuge BF Komárom
TLF 4000            Mercedes Benz 1529        Rosenbauer,      Bj. 2009
TLF 4000            Mercedes Benz 1528         Rosenbauer,     Bj. 2005
*TLF 4000           Mercedes Benz 1234        Rosenbauer,     Bj. 2000
GTLF 8000MB    Actros 2641                         Heros Auqarex, Bj. 2005
DLK 23/12          Mecedes Benz 1528           Metz L32,            Bj. 2008
VRW                    MB Sprinter 518 CDI           Heros,                 Bj. 2005
GW                      IVECO Dayli 3,5                    Eigenaufbau,     Bj. 1996
PKW                    Hunday Accent 1,3                                            Bj. 2005

*Allen Tanklöschfahrzeugen ist ungarnweit eigen, dass sie immer mit 6 Pressluftatmer mit Compositflaschen für die gesamte Besatzung mitführen. Die BF Komarom hat kürzlich zusätzlich für alle Fahrzeugbesatzungen Totmannwarner angeschafft.

GTLF 8000: Im Jahre 2005 beschaffte die BF Komaróm das GTLF 8000 auf Mercedes Benz Actros 2641 mit einem Aufbau Aquarex der Budapester Firma Heros.

BF Tatabánya
Die moderne (Kreis-)Stadt mit 71.000 Einwohnern entstand aus einer Bergbausiedlung, die 1947 mit drei weiteren Gemeinden zur heutigen Stadt Tatabánya zusammengelegt wurden.
Tatabánya ist Verkehrsknotenpunkt. Neben einer Reihe stark befahrener Landstraßen ist die BF für ein Teilstück der Autobahn A 1 von Wien nach Budapest ebenso zuständig, wie für die das Stadtgebiet querende Eisenbahnlinie Wien-Budapest.
Die Stadt pflegt eine Städtepartnerschaft mit dem deutschen Aalen, auch die Feuerwehren pflegen regelmäßig gute Kontakte zur dortigen Feuerwehr.
Die Berufsfeuerwehr verfügt auf ihrem großen Wachenareal, dessen Hauptgebäude 1951 errichtet wurde, über ein eigenes Schwimmbad nebst mehreren Saunen und einem Masseur. Die Anlage wurde in reiner Eigenleistung ebenso wie die große wacheigene Sporthalle für den Dienstsport errichtet. Die Stadt stellte nur das Baumaterial zur Verfügung.
Die „Fire Divers Dive Center“ genannte Anlage dient neben der körperlichen Ertüchtigung der Feuerwehrleute der landesweiten Ausbildung von Rettungstauchern, als auch zivilen Tauchern. Die Ausbildung findet nach internationalen Standards statt. Die für Zivilisten kostenpflichtige Ausbildung ermöglicht der BF Einnahmen zum Unterhalt des Schwimmbades, wie auch die Einnahmen durch Eintrittsgelder aus der Bevölkerung, die das Bad außerhalb der Ausbildungszeiten nutzen darf.
Dem Leiter der BF Oberst Csaba Janics stehen pro Schicht 33 Mann (Mindeststärke 22 Mann) und ein umfangreicher Fahrzeugpark zur Verfügung. Eine besondere Rolle nimmt der Mitsubishi L200 Pickup ein. Dieses Fahrzeug dient der BF als Vorausrüstwagen, kann aber durch Wechseln des Einschubes zum Transport der Taucherausrüstung umfunktioniert werden. In naher Zukunft wird auch ein neues TLF 3000 CAFS auf Unimog den Fuhrpark der Wehr verstärken.
Neben den üblichen landesweit bekannten Tanklöschfahrzeugen – ein TLF 2000 (Bj. 97) und drei TLF 4000 (Bj. 96, 98 u. 04) – hält auch hier gerade ein neues TLF 4000 Einzug. Neben einem GTLF 9000 sind ein Rüstwagen und ein 35 t Kran- und Bergefahrzeug und ein Schaumtankfahrzeug vorhanden. Der Faun Tadano ist ein Fahrzeug der städtischen Feuerwehr, kein Kranwagen des landeseigenen Katastrophenschutzes.

Fahrzeuge BF Tatabànya
VRW              Mitsubishi L 200                                                             Bj. 2001
TLF 4000      Renault 270.14                        Saurus,                        Bj. 2004
TLF 2000      Mercedes Benz                        Rosenbauer,              Bj. 1997
TLF 400        Mercedes Benz 1234              Rosenbauer,              Bj. 1998
TLF 4000      MB Atego 1729                         Rosenbauer,              Bj. 2009
TM 42            Renault Präumium 420 cDi  Bronto Skylift 42,         Bj. 2005
GTLF 9000   Renault Kerax 450 Cdi           Heros Auquarex,        Bj. 2008
TLF 4000      Steyer  (Reserve)                &bsp;    Rosenbauer,              Bj. 1996
RW                 MB Atego 1225                        Saurus,                        Bj. 2002
KW 35            Faun                                          Faun Tadano,             Bj. 2006
Schaumtank-Fahrzeug     Raba 25.230      Rosenbauer TÜ 4,    Bj. 1977
Versorgungs-Lkw mit Ladekran

GTLF 9000: Der noch junge ungarische Löschfahrzeugbauer Heros, Budapest, lieferte das GTLF 9000 auf einem Renault Kerax 450 Cdi im Jahre 2008 nach Tatabànya.

Ein System im Umbruch?
Die enormen Investitionen der Regierung zum Schutz der Bevölkerung in den letzten Jahren sind schon in den Feuerwehren spürbar. Allein von 2007 bis 2009 wurden umgerechnet 77 Millionen Euro ausgegeben und von 2010 bis 2012 sind nochmals 63 Millionen Euro geplant. Mit diesem Geld werden neben den unterschiedlichsten Fahrzeugen auch Alarmierungseinrichtungen beschafft.
Jedes System und jede Struktur hat Vor- und Nachteile. Die ständige Verfügbarkeit der ungarischen Löschkräfte durch die vielen Berufsfeuerwehren auch in kleineren Städten ermöglicht zweifelsfrei eine sehr schnelle kompetente und professionelle Hilfe. Die Kostenfrage stellt sich jedoch auch in Ungarn immer mehr. Probleme deutscher Städte mit vergleichbaren Einwohnerzahlen bezüglich Tagesalarmsicherheit und dem Zufallsprinzip Qualifikation (Wer rückt mit welcher Ausbildung aus? Sind genügend Maschinisten vorhanden?) gibt es in Ungarn nicht. Dennoch denkt man über Veränderungen, etwa hin zu mehr Freiwilligen Feuerwehren oder Mischformen nach. Wohin die Reise geht, kann derzeit niemand sagen. Doch eines sollte man auch wissen, der normale Feuerwehrmann in Ungarn verdient nur ca. 360 Euro im Monat. Die Frage, ob man davon leben könne, wurde von mehreren Seiten mit einem glatten „Nein“ beantwortet.

Uwe Lorz

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