Stärkt der Koalitionsvertrag den Katastrophenschutz?
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In Anbetracht zunehmend unsicherer Zeiten fordert unter anderem der DFV und mit ihm viele weitere Hilfsorganisationen, den Katastrophenschutz in Deutschland dringend zu stärken. Ende März überreichte der Deutsche Feuerwehrverband der Politik ein umfassendes Positionspapier mit konkreten Forderungen für eine starke Gefahrenabwehr. Was davon findet sich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die Legislaturperiode 2025-2029?
Starke Forderungen, ausweichende Antworten
Bereits ehe der Koalitionsvertrag im Entwurf erstmals vorgestellt wurde – das war am 9. April 2025 – hatte die zukünftige Bundesregierung angekündigt, neben der militärischen auch in die zivile Verteidigung zu investieren. Auch der „Operationsplan Deutschland„, der die militärische und zivile Verteidigung bündelt, ist bereits länger bekannt.
Ende März hatten sowohl der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) als auch ein Zusammenschluss der Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutschs Rotes Kreuz (DRK), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und Malteser Hilfsdienst (MHD) Positionspapiere an die Politik veröffentlicht:
- Positionspapier des Deutschen Feuerwehrverbands
- gemeinsames Positionspapier von ASB, DRK, DLRG, JUH und MHD
Die Akteure stellten konkrete Forderungen anhand der Probleme in der Praxis – die der Koalitionsvertrag häufig aufgreift. Allerdings findet sich darin leider oft eher guter Wille als konkrete Ziele. Im Folgenden wird geprüft, welche Forderungen die Positionspapiere der Hilfs- und Rettungsorganisationen enthalten und geprüft, inwiefern der Koalitionsvertrag ihnen gerecht wird.
1. Forderung: Akteure des Zivilschutzes stärken
Der DFV beschreibt die Feuerwehren als das „Rückgrat des Zivilschutzes“, das verlässlich und flächendeckend zur Stelle sei, wenn Hilfe gebraucht werde. Doch dafür brauche es dringend eine gute Ausstattung und Investitionen:
Um jedoch für das breite Einsatzspektrum gewappnet zu sein, müssen die Feuerwehren als kommunale Einrichtungen angemessen ausgestattet und ertüchtigt werden. Dies erfordert eine strategische Planung und Abstimmung in Bezug auf länderübergreifende, organisationsübergreifende sowie zivil-militärische Zusammenarbeit. Eine intelligente Bündelung der Fähigkeiten ist hierbei unerlässlich.
(DFV-Positionspapier, S. 2)
Außerdem fordert der DFV, die Debatte über die Wehrpflicht und auch die Dienstpflicht im Katastrophenschutz wieder aufzunehmen (S. 2), um genug Personal für die Feuerwehren zu generieren. An späterer Stelle des Papiers wird betont, dass die Ausstattung mit dringend benötigter Technik, etwa mit LF KatS, Schlauchwagen Katastrophenschutz (SW-KatS), CBRN-Messleitkomponenten (CBRN MLK) und GW Dekon-P (vgl. S. 5, S. 3) anzuschieben und noch ausstehende Ausstattungsprojekte des BBK dringend umzusetzen sind. Hierzu heißt es: „Die Verzögerung bei der Anpassung und Ertüchtigung der CBRN-Ausstattung muss unverzüglich angegangen werden“ (S. 5).
Die anerkannten Hilfsorganisationen ASB, DRK, DLRG, JUH und MHD fordern, dass der Mittelansatz für den von ihnen geleisteten den Bevölkerungsschutz von 0,12% des jährlichen
Bundeshaushaltes im Jahr 2024 dauerhaft zu erhöhen – auf mindestens 0,5%, was derzeit rund 2,4 Milliarden Euro entspräche (S.2). Zudem fordern sie, ehrenamtliches Engagement durch Maßnahmen z.B. im Sozialversicherungsrecht zu flankieren (S. 2).
Das steht im Koalitionsvertrag
Im Koalitionsvertrag wird ein „Pakt für den Bevölkerungsschutz“ angekündigt, der es unter andrem ermöglichen soll, mehr Gelder in den KatS zu investieren. Wirklich konkret wird der Vertrag allerdings nicht. So heißt es:
Wir werden den Zivilschutz und den ergänzenden Katastrophenschutz des Bundes stärken und die neuen Finanzierunginstrumente für die Gesamtverteidigung von Bund und Ländern nutzen. Wir stärken das BBK als zentrale Stelle und das THW als operative Einsatzorganisation und sorgen mit einem „Pakt für den Bevölkerungsschutz“ für nachhaltige Investitionen in Fähigkeiten und Ausstattung und erhöhen das Bewusstsein für Selbstschutz durch eine zeitgemäße Behördenkommunikation. (Koalitionsvertrag, Z. 2687-2691)
Konkret wird es im Digitalfunk der BOS – hierzu verspricht der Koalitionsvertrag eine verbesserte Finanzierung ebenso wie einen eigenen UHF-Frequenzbereich (Z. 2703).
Das Ehrenamt will die neue Regierung mit einem „Zukunftspakt Ehrenamt“ stärken, u. a. mit der Erhöhung von Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale, der Vereinfachung des Gemeinnützigkeits- und Vereinsrechts, und explizitem Schutz für die Blaulicht-Familie (Zeilen 3774–3789). Besonders erfreulich:
Wir werden den Schutz von Ehrenamtlichen verbessern. […] Dazu gehört auch die Fortführung der bundesweiten Ansprechstelle zum Schutz für kommunale Amts- und Mandatsträger. Angriffe auf diejenigen, die uns unter anderem in Freiwilligen Feuerwehren und Rettungsdiensten schützen, werden wir härter bestrafen und die Strafprozesse beschleunigen.
(Koalitionsvertrag, Z. 3789-3793)
2. Forderung: Kompetenzen im Katastrophenschutz bündeln
„Für eine effektive Einsatzführung sind organisatorische Veränderungen notwendig“ (S. 2), stellt der DFV in seinem Positionspapier klar. Er fordert ein „Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz“ (GeKoB). Es soll eine zentrale Koordinierungsfunktion für konkrete Schadenslagen sein, aber auch alle Akteure der zivilen Gefahrenabwehr gesammelt vertreten. Auch die Hilfsorganisationen fordern ein integriertes Krisenmanagement bei großen Gefahren- und Katastrophenlagen, in das sie auch relevante KRITIS-Sektoren, etwa aus der Wirtschaft, und alle Strukturen des Gesundheitswesens einbezogen sind.
Alle Strukturen müssen an die Herausforderungen der Zeit angepasst werden, indem verbindliche standarisierte Verfahren etabliert und entsprechende gemeinsame Ausbildungen und Übungen durchgeführt werden. So wird ein gemeinsames Risikomanagement und eine integrierte Krisenbewältigung über alle Bereiche und Sektoren sowie sämtliche Akteure hinweg gewährleistet.
(HiOrg-Positionspapier, S. 1f)
Beide Positionspapiere fordern eine bundesweite koordinierte Ausbildung im Bereich Zivil- und Katastrophenschutz, speziell Führungstrainings in der Stabsarbeit (S. 4., S. 5) sind laut Einschätzung des DFV dringend erforderlich.
Das steht im Koalitionsvertrag
Ein gemeinsames Kompetenzzentrum des Katastrophenschutzes, wie vom DFV gefordert, findet sich im Koalitionsvertrag nicht – allerdings stimmt die grobe Richtung: „Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern, um Kommunen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben im Bereich Zivil-, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz zu unterstützen“, heißt es in den Zeile 3658f. Über diese Stelle hinaus gibt es keine konkreteren Angaben zur Zusammenarbeit der Länder, erst recht keine „greifbaren“ Dinge wie gemeinsame Ausbildungskonzepte.
3. Forderung: Der Verteidigungsfall
Der DFV fordert hebt in seinem Papier unter dem Gesichtspunkt der Gesetzlichen Rahmenbedingungen besonders die Zusammenarbeit von Bund und Ländern hervor. Im Verteidigungsfall ist der Bund für den Zivilschutz zuständig, in Friedenszeiten und in der allgemeinen Gefahrenabwehr die Länder. Das Papier benennt eine „Konzeption Zivile Verteidigung“ (KZV) mit vier zentralen Arbeitsbereichen:
- Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen
- Zivilschutz
- (Not-) Versorgung der Bevölkerung
- Unterstützung der Streitkräfte
Um modernen Bedrohungslagen gerecht zu werden, sollen die Feuerwehren in Europa in einem „Netzwerk der Feuerwehren der EU-Länder“ (S. 4) eng zusammenarbeiten. Eine entsprechende Initiative hat der DFV bereits gestartet und wird sie weiter verfolgen. Auch das Positionspapier der rettungsdienstlichen Organisationen stellt diese Forderung auf, so heißt es etwa:
Die Krisen dieser Welt machen weder an Staatsgrenzen halt, noch können sie durch einzelne Staaten allein wirkungsvoll bewältigt werden. Die Zusammenarbeit bei der Bewältigung von naturbedingten Katastrophen in Europa ist grundsätzlich etabliert und muss auf internationale und menschengemachte Bedrohungen weiter ausgedehnt werden.
(HiOrg-Positionspapier, S. 3)
Das steht im Koalitionsvertrag
Wenig überraschend, da der „Operationsplan Deutschland“ bereits vor den Koalitionsverhandlungen unter der alten Regierung erarbeitet wurde, wird der Koalitionsvertrag zumindest an dieser Stelle konkret – unter „Zivile Verteidigung“ heißt es u.a.:
„Die Gesamtverteidigung und insbesondere die Umsetzung des OPLAN Deutschland wird als militärische und zivile Aufgabe auf Ebene der Bundesregierung gemeinsam gesteuert und koordiniert. Die Zusammenarbeit zwischen Sicherheits-, Zivilschutzbehörden und Bundeswehr bauen wir aus. Wir beschließen zeitnah ein gutes KRITIS-Dachgesetz
(Koalitionsvertrag, Z. 2694-2698)
4. Forderung: Resilienz der Bevölkerung stärken
Nicht nur Hilfs- und Rettungsorganisationen sind im Ernstfall gefragt: Ohne Mithilfe der Bürger/-innen sind große Schadenlagen nicht zu bewältigen. Daher soll die Bevölkerung in die Lage versetzt werden, sich im Notfall korrekt zu verhalten und sich ausreichend vorzubereiten (vgl. DFV-Positionspapier, S. 7). Umfassende Schulungen zur Selbsthilfe sollen angeboten werden, um die Menschen resilienter zu machen (vgl. S. 5). Im gemeinsamen Positionspapier von ASB, CRK, CLRG, JUH und MHD sichern die Organisationen zu, für konkrete Schulungsangebote an die Bevölkerung bereitzustehen (S. 3).
Das steht im Koalitionsvertrag
Dezidierte Programme oder Schulungsangebote für die Bevölkerung sind im Vertrag nicht beschrieben. Die Rede ist lediglich an einer Stelle von einer „zeitgemäßen Behördenkommunikation“, um „das Bewusstsein für Selbstschutz zu erhöhen“ (vgl. Z. 2691).
5. Forderung: Zusammenarbeit mit Industrie und Handwerk
Nur wenn die Unternehmen in der Lage sind, flexibel auf steigende oder fallende Nachfrage zu reagieren, können sie die erforderlichen Kapazitäten in Krisenzeiten schnell bereitstellen.
(DFV-Positionspapier. S. 7)
Dafür schlägt der DFV z. B. Preisgleitklauseln schon bei Ausschreibungen vor, um das Risiko von Preisschwankungen gleichmäßig auf Auftraggeber und Auftragnehmer zu verteilen. Weitere Maßnahmen seine nötig – hier wird das Papier nicht konkreter – um gut aufgestellt zu sein.
6. Forderung: Rechtlichen Rahmen anpassen
„Ein Krisenmanagement aus einem Guss braucht einen modernisierten Rechtsrahmen“, stellen die Hilfsorganisationen in ihrem gemeinsamen Positionspapier fest. Sie fordern konkret:
- Reform des Gesetzes über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG)
- Novellierung bzw. Ergänzung der Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze, die unter anderem auch hybride Bedrohungen stärker beachten sollen.
- Bundesweit einheitliche Regelungen z. B. zur Freistellung, zu Ausgleichsansprüchen, zu Ersatzleistungen und sozialen Absicherung für Helfende der anerkannten Hilfsorganisationen ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD wie sie für THW und Feuerwehren bereits bestehen.
Auch der DFV fordert eine Anpassung des rechtlichen Rahmens. Er hebt besonders die Zusammenarbeit im Verteidigungsfall hervor, da dann der Bund für den Zivilschutz zuständig ist, während in Friedenszeiten und in der allgemeinen Gefahrenabwehr die Länder verantwortlich sind (S. 3).
Das steht im Koalitionsvertrag
Wie schon bei vorangegangenen Forderungen, so gilt auch hier – die künftige Regierung scheint die Bedarfe zu sehen und demonstriert guten Willen, messbare konkrete Aussagen fehlen im Koalitionsvertrag allerdings. Bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen heißt es unter dem Punkt „Krisenfeste Versorgung“:
„Wir schaffen gesetzliche Rahmenbedingen für den Gesundheitssektor und den Rettungsdienst im Zivilschutz- sowie Verteidigungs- und Bündnisfall mit abgestimmter Koordinierung und eindeutigen Zuständigkeiten. Wir investieren in die energetische Sanierung und Digitalisierung für die Krankenhaus-, Hochschulklinik- und Pflegeinfrastruktur.“
(Koalitionsvertrag, Z. 3572-3575)
Außerdem sollen laut Z. 3665 die Sicherheitsvorschriften von Bund, Ländern und Kommunen „harmonisiert“ werden – auch hier bleibt der Vertrag vage.
7. Forderung: Auf hybride Bedrohungslagen vorbereitet sein
Auf hybride Bedrohungslagen ist Deutschland nicht ausreichend vorbereitet, so der DFV. Er fordert „neue Konzepte und Programme im Bereich des Katastrophenschutzes auf Basis einer umfassenden Analyse hybrider Bedrohungslagen“ (S. 5):
Insbesondere Szenarien wie ein großflächiger Stromausfall (Blackout) oder die Störung kritischer Infrastrukturen (KRITIS) in Bereichen wie Wasserversorgung, Lebensmittelversorgung, medizinische Infrastruktur, Verkehr und Kommunikation erfordern eine enge Abstimmung der Maßnahmen. Nur durch eine gezielte, übergreifende Zusammenarbeit können diese komplexen Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden.
(DFV-Positionspapier, S. 5)
Das steht im Koalitionsvertrag
Der „Pakt für den Bevölkerungsschutz“ berücksichtigt dezidiert auch hybride Bedrohungslagen mit einer Nationalen Cybersicherheitsstrategie:
Wir entwickeln die Nationale Cybersicherheitsstrategie mit dem Ziel einer klaren Rollen- und Aufgabenverteilung fort, stärken das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und bauen es zu einer Zentralstelle für Fragen der Informations- und Cybersicherheit aus. Wir härten unsere Kommunikationsnetze, insbesondere für die Krisen- und VS-Kommunikation. Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum entwickeln wir fort und intensivieren den Informationsaustausch. Im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen bauen wir unsere Fähigkeiten zur aktiven Cyberabwehr aus.
(Koalitionsvertrag, Z. 2677-2681)
Sarah Altendorfer
Quellen
- Koalitionsvertrag (Entwurf vom 9.4.2025)
- Deutscher Feuerwehrverband (Positionspapier vom 20.03.2025)
- Hilfsorganisationen ASB, DRK, DLRG, JUH und MHD (gemeinsames Positionspapier vom 24. März 2025)
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