Atemschutzfahrzeuge mit viel Potenzial

2024_04

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Kompakte Fahrzeuge wie der Sprinter ­werden in einigen ­Ländern als Atem­schutz­fahrzeuge (ASF) ­eingesetzt. Auch in Deutschland bietet ein derartiges Konzept ein erhebliches Potenzial.

Der Begriff Atemschutzfahrzeug wird in Deutschland meist benutzt, um ein Fahrzeug zu benennen, für die mittlerweile die Bezeichnung Gerätewagen-Atemschutz üblich geworden ist. Nach Definition des Schweizerischen Feuerwehrverbands (SFV) ist ein Atemschutzfahrzeug (ASF) ein „Feuerwehrfahrzeug zum Transport vom Atemschutzgeräteträgern, Atemschutzgeräten und Ausrüstungen inklusive Reservematerial für den Einsatz mehrerer Atemschutztrupps“.
In der Schweiz ist es üblich, dass die Atemschutzgeräte so im Fahrzeug bzw. in den Fahrzeugsitzen gelagert sind, dass sie von den Atemschutzgeräteträgern bereits während der Fahrt angelegt werden können.

Während in Deutschland die Gerätewagen-Atemschutz üblicherweise Logistik-Fahrzeuge sind, fahren die ASF im ersten Abmarsch, oft zur Personalergänzung von Tanklöschfahrzeugen mit Truppbesatzung. Ähnliches praktizierte z. B. auch die Berufsfeuerwehr Oslo seit den 1970er Jahren mit entsprechend ausgebauten US-amerikanischen Vans (z. B. Dodge), als Löschfahrzeuge (noch) nicht mit Atemschutzgeräten ausgestattet waren und zur Personalergänzung. Nach deutscher Nomenklatur handelt es sich also um Mannschaftstransport- oder Mehrzweckfahrzeuge mit Atemschutz, von denen im folgenden verschiedene Ausführungsbeispiele beschreiben werden.

Internationale Variantenvielfalt

Von außen ist das ASF der Freiwilligen Feuerwehr Pratteln auf Mercedes-Benz Sprinter Typ 516 cdi 4×2 (120 kW/163 PS, Automatikgetriebe) mit Ausbau von Rosenbauer (Baujahr 2010) und einer Gesamtmasse von 5,5 t kaum von einem deutschen MTF/MZF zu unterscheiden. In die Sitze im Mannschaftsraum sind jedoch in einer Bank drei Atemschutzgeräte mit 6-l-Luftflaschen und in der anderen Bank drei Atemschutzgeräte mit 9-l-Luftflaschen gelagert. Es werden insgesamt zwölf weitere Atemschutzgeräte und 18 Reserveflaschen mitgeführt. Neben der Umfeldbeleuchtung stehen ein Stromerzeuger Honda EU20i und Beleuchtungsballon Sirocco-Halogen zur Verfügung.

Das Fahrzeugprojekt der Feuerwehr Harstad zeigt die Anordnung von zwei Atemschutzsitzen in Fahrtrichtung und die feste Trennung zwischen Geräte- und Mannschaftsraum in einem Mercedes-Benz Vito 116cdi 4×4 (160 PS), den die Fa. Egenes Brannteknikk AS, NO-Flekkefjord), im Juni 2014 an Harstad Brann og Redning geliefert hat. Die weitere Ausrüstung des Fahrzeugs wurde von der Feuerwehr selbst durchgeführt.

Die Betriebsfeuerwehr novartis in Stein im Kanton Aargau (CH) hat in ihrem Fuhrpark ein ASF auf Sprinter-Basis mit Ausbau durch die Fa. Feumotech AG Feuerwehrfahrzeuge und Motorspritzentechnik aus Recherswil/SO erweitert. Der Sprinter Typ 516 CDI 4×2 mit einem Radstand von 4.325 mm und Hochdach ist für eine Gesamtmasse von 5,3 t zugelassen und wird von einem Euro 5-Diesel mit 163 PS über einem Fünfgang-Automatikgetriebe angetrieben. Die werksseitige Lackierung in MB 3534 „feuerrot“ wird durch eine Bauchbinde in Weiß-Tagesleuchtrot-Weiß ergänzt.
Der Innenausbau ist zweigeteilt: Im mittleren Bereich befinden sie jeweils drei Atemschutzsitze mit Dreipunkt-Sicherheitsgurten in und gegen Fahrtrichtung, die durch die rechte Schiebetür erreicht werden können. Um die Sitze herum ist die erweiterte Ausrüstung der Atemschutzträger gelagert: Leinen und Funkgeräte, Messgeräte und eine Wärmebildkamera in Ladehalterungen. Vor der Hinterachse befindet sich eine Trennwand zum Heck. Diese ist zum nach hinten offenen Regal für weitere Ausrüstung in Systemboxen für den spezifischen Bedarf der Betriebsfeuerwehr gestaltet. Zusätzliches Personal kann auf weiteren sechs Plätzen, links und rechts an den Außenwänden quer zur Fahrtrichtung, mitgeführt werden – schweizerische Feuerwehren dürfen dies mit einer Ausnahmegenehmigung. Andere ASF haben im Heck z. B. die Möglichkeit stattdessen Rollcontainer aufzunehmen.

Zur Verdeutlichung eines Beladungs- und Ausbaukonzepts der Feuerwehr Chestenberg aus dem schweizerischen Kanton Aargau, das von der Fa. Tony Brändle aus Sirnach (CH) ausgebaut wurde, siehe Zeichnungen des Fahrzeugs.  Das Fahrzeug ist auf einem Mercedes-Benz Sprinter 519 cdi mit einer Gesamtmasse von 5,3 t aufgebaut. Basis ist auch hier ein Kastenwagen-Hochdach. Zur Kraftübertragung kommt ein Automatikgetriebe und ein 4×4-Antrieb zum Einsatz. Im Mannschaftsraum befinden sich ein Klapptisch und je drei Brändle Atemschutzsitze in und gegen die Fahrtrichtung. Der Raum im Heck ist mit Drehgestell und Gestellen und Halterungen zur besseren Entnehmbarkeit der Ausrüstung ausgestattet. Eine Markise auf der rechten Seite (440 mm x 3.000 mm) schützt den Einstiegsbereich.

Konzepte in Deutschland

Der Technische Notdienst des Deutschen Elektronensynchrotrons (DESY) in Hamburg nutzt seit dem Jahr 2002 zum Transport von Atemschutzgeräteträgern und Einsatzmitteln einen Gerätewagen auf Basis eines Renault Master (SA ABE H12), der mit Komponenten der Fa. Sortimo und drei Atemschutzsitzen in Fahrtrichtung ausgebaut wurde. Der Gerätewagen der Sondereinsatzgruppe Atemschutz/Höhenrettung/Tauchen (Besatzung 1+3) der Berufsfeuerwehr Bochum wird in Springerfunktion besetzt und rückt bei Einsätzen in großen Höhen und Tiefen, bei Lagen, bei denen besondere Atemschutztechniken gefragt sind und bei Taucheinsätzen aus. Er ist auf einem Mercedes-Benz Sprinter 519 cdi mit einer Motorleistung von 140 kW/190 PS aufgebaut.

Einsatztaktisches Potenzial

Die Erweiterung um die Komponente Atemschutz bei in einigen Bundesländern durch Weisung oder Baurichtlinie bereits etablierten Mehrzweckfahrzeugen bietet – je nach regionalen Gegebenheiten – ein erhebliches Potenzial mit verschiedenen Möglichkeiten ihrer Ausschöpfung, z. B:

  • Bei kleinen Feuerwehrhäusern mit Problemen bei der Unterstellung
  • Beschaffung kleinerer Löschfahrzeuge (LF 10 statt LF 20) bei Ergänzung durch ein ASF
  • Verwendung von Fahrzeugen unter Verzicht auf aufwendige Staffel-/Gruppenkabinen
  • Flexibler Transport von Atemschutzgeräteträgern und Atemschutzlogistik (z. B. im Rahmen der Nachbarschaftshilfe) ohne Löschfahrzeuge bewegen zu müssen und dabei das eigene Schutzgebiet zu entblößen, insbesondere in tagesalarmschwachen Gebieten
  • Doppelnutzen als ELW, wenn der Innenraum entsprechend gestaltet wird.

■ Holger de Vries

Literatur 1 Schweizerischer Feuerwehrverband: Technische Informa­tion TI09.00-01d.pdf; Ziff. 3.2.4.8 Sonstige spezielle Kraftfahrzeuge 2 Ahlander, Erik: Einsatzfahrt mit Wagen 32 der BF Oslo; 112 Magazin; 8/1979; pp. 242–244

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