Flutkatastrophe 2021: Ausstellung in Hermeskeil

2024_06

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Tausende Feuerwehrleute halfen 2021, als das Wasser im Westen Deutschlands Menschen, Tiere und Häuser davonschwemmte. Im Feuerwehr-Erlebnismuseum in Hermeskeil finden sich zahlreiche Erinnerungen an die Flutkatastrophe.

Löschfahrzeug "Pätti" half bei der Flutkatastrophe
Herzstück der Ausstellung ist „Pätti“, das ehemalige Fahrzeug der Feuerwehr Schuld: Foto: Frank Bugge

Das rheinland-pfälzische Feuerwehr-Erlebnismuseum in Hermeskeil (LK Trier-Saarburg) eröffnet nach der Winterpause wieder mit der Ausstellung „Flutkatastrophe 2021“. Diese dokumentiert die wohl umfassendste Hilfsaktion in der Geschichte der Bundesrepublik nach der Starkregenkatastrophe am 14. und 15. Juli 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Rund 42.000 Menschen waren im Ahrtal schätzungsweise betroffen. 134 Personen starben in der Flut. Die Schäden an der Bahnlinie, an den Straßen, an 103 Brücken und etwa 9.000 Gebäuden, die zum Teil direkt von den Fluten mitgerissen wurden, gehen in die Milliarden. Der Wieder- und Neuaufbau, für den von staatlicher Seite 15 Milliarden Euro bereitstehen, wird Jahrzehnte dauern.

Im Mittelpunkt der „Flut-Ecke“ im Erdgeschoss der großen Halle des Museums steht das Löschgruppenfahrzeug LF 8/6 der Feuerwehr Schuld, einem Ort der Verbandsgemeinde Adenau (LK Ahrweiler). Schuld war und ist mit am stärksten von der Katastrophe betroffen. Die Ortsgemeinde stand im Fokus der Medien, Bilder der Zerstörung gingen um die Welt. Andreas Solheid, Pressesprecher der Feuerwehren in der Verbandsgemeinde Adenau, führte allein an den ersten beiden Tagen nach der Katastrophe 70 Interviews.

„Pätti“ rettet Leben

Die Katastrophen-Geschichte des LF 8/6, ein von der Feuerwehr liebevoll auf den Namen „Pätti“ getaufter Mercedes 814 mit Straßenfahrwerk und Schlingmann-Aufbau, beginnt am 14. Juli, um 13.19 Uhr. Tobias Lussi, Wehrleiter in Schuld, hat das Geschehen in einem ausführlichen Gedächtnisprotokoll auf der Facebook-Seite der Wehr festgehalten und bei der Gedenkfeier zum Jahrestag erzählt.
Die Alarmierung von Lussi und seinen Kameraden Alois und Timo Kürsten, der Einsatz im neun Kilometer entfernt liegenden Ort Antweiler und ihre gefährliche Rücktour nach Schuld, voller Angst um das eigene Leben: All das zeigt, wie die Wehren an der Ahr der Flut ausgeliefert waren, ohne Vorwarnung und Vorbereitung, nicht ausgebildet und nicht ausgerüstet für diese Wucht. Ebenso wenig wie die Menschen am Fluss wussten die engagierten Ehrenamtler, was sie erwartet und was ihnen noch bevorsteht, auch wegen mangelnder Kommunikationsmöglichkeiten, wie der PERC-Ereignisbericht der „Zurich Versicherung“ kritisch bilanziert.

Nur so lässt sich auch der Einsatz erklären, bei dem die 19-jährige Feuerwehrfrau Katharina Kraatz von der Feuerwehr Barweiler zwei Ortschaften von Antweiler entfernt ums Leben kommt. Sie will auf dem von der Flut verwüsteten Campingplatz in Dorsel einer bettlägerigen Frau in einem Mobilwohnheim helfen. „Jede der anwesenden Einsatzkräfte wäre dort hinein gegangen“, beschrieb Wehrleiter Dieter Merten von der Feuerwehr Adenau die Situation. Doch das Wasser sei so „unvorstellbar schnell“ gestiegen, so dass niemand mehr die beiden Frauen befreien konnte. Die Flut riss alle mobilen Wohnheime mit. Ebenfalls bezeichnend für die damalige Einsatzlage: Der Rettungshubschrauber „Air Rescue Nürburgring“ hat keine Seilwinde. Die Besatzung kann Menschen nur mit einer einfachen Feuerwehrleine in Sicherheit bringen. Waghalsig, so der Pilot später, rettet der Helikopter einen Feuerwehrmann und fünf Camper. Sechs Menschen ertrinken. Die Feuerwehrfrau wird erst vier Tage später flussabwärts tot aufgefunden.

Nach Totalschaden ins Museum

In Schuld hilft „Pätti“, damals bereits seit 26 Jahren im Dienst, etwa 40 Leben aus den Fluten zu retten. Das Hochwasser reicht teilweise bis an die Windschutzscheibe, Treibgut rammt das Fahrzeug. 191 km nach der ersten Flut-Alarmierung und nach dem letzten Einsatz gibt  es schließlich auf. Als „Totalschaden“ verfrachtet es ein Tieflader ins Museum nach Hermeskeil.

Tobi, Timo und Alois haben ihren Dank im Schmutz an der Seitenwand hinterlassen. Foto: Frank Bugge

Die Feuerwehr aus Schuld nahm die Ausstellung mit ihrem alten Fahrzeug zum Anlass, ihre Hauptversammlung 2022 im Museum in Hermeskeil abzuhalten. Ersetzt wurde „Pätti“ durch ein LF 8/6, Baujahr 1993, mit Mercedes-Benz-Fahrgestell und Ziegler-Aufbau. Es ist ein Geschenk der Feuerwehr Berghaupten im Zuge der Unterstützung nach der Flutkatastrophe. Im Jahr 2023 soll die Wehr ein neues LF 10 bekommen.

Museum zum Anfassen

Besucher/-innen können am wieder mit Ausrüstungsgegenständen wie Lampen, Schläuchen und Atemschutzgeräten aufgefüllten „Pätti“ die Beleuchtung einschalten. „Danke für’s nach Hause bringen. Tobi, Timo, Alois“, ist an der schmutzigen Tür des Feuerwehrautos zu lesen – ein Dankeschön der drei Feuerwehrleute, die „Pätti“ ihr Leben verdanken. Im Hintergrund hört man aus Lautsprechern die Flutmassen bedrohlich rauschen, wie Max Schmidt erläutert. Der 20-jährige Elektriker ist seit fünf Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr Hermeskeil. Im ehrenamtlich vom Förderverein Rheinland-Pfälzisches Feuerwehrmuseum Hermeskeil e.V. getragenen und von den Mitgliedern betriebenen Museum kümmert er sich um einzelne Ausstellungen und die Instandhaltung des Museums. Seit zwei Jahren ist er im Vorstand. Als Feuerwehrmann war er selbst an der Ahr im Einsatz. Er stellte mit rund 50 bis 70 Kameradinnen und Kameraden in der VG Adenau für zwei Wochen den Grundschutz sicher.

Uhren aus der Schule Altenburg
Die Wanduhren stammen aus der Schule in Altenburg. Foto: Frank Bugge

Fundstücke aller Art

In der Ausstellung finden sich Fundstücke aller Art aus der Flutkatastrophe: Balken aus Häusern, Sandsäcke, die völlig verschlammte Einsatzweste des Zugführers Ahrweiler. Aus der Ahrtalschule im überschwemmten Altenburg stammen ein verschlammter Fluchtwegeplan und zwei Wanduhren. Sie zeigen 21.42 Uhr. Zu dieser Zeit traf sie das Hochwasser.

Zu den Flut-Funden gehört auch die Spindtür von Markus Römer. Er und sein Spind gehören ins Feuerwehrgerätehaus Ahrweiler. Direkt an der Ahr gelegen, wurde es vollkommen überflutet. Die herausgerissene Spindtür hat Max Schmidt auf dem Friedhof nebenan gefunden. Eine eigene Geschichte kann der Tower-PC der Einsatzleitung der Ahrweiler Feuerwehr erzählen, den Flut und Schlamm völlig zerstört haben. Zwei Puppen zeigen die vom Fluteinsatz verschlammte Einsatzkleidung von Feuerwehrleuten und THW-Helfern. Aus dem Gerätehaus Ahrweiler stammen zwei historische Feuerwehr-Kutschen mit Handpumpen von 1888. Sie werden in Hermeskeil aufbewahrt und sollen zurück an die Ahr, wenn dort ein neues Gerätehaus steht.

Bei Flutkatastrophe zerstörter PC
Das war einmal der PC der Einsatzleitung bei der Feuerwehr Ahrweiler. Foto: Frank Bugge

Über 300 Ärmelabzeichen

Von der Feuerwehr Bad Neuenahr stammen weitere Ausstellungsstücke. In der Wache an der Heerstraße haben Feuerwehrleute aus der ganzen Bundesrepublik die Ärmelabzeichen ihrer Einheit angepinnt – Belege dafür, wie groß die Hilfsbereitschaft war. An den drei Stelen aus Bad Neuenahr finden sich über 300 Abzeichen, von Siek in Holstein, St. Blasien in Baden-Württemberg, Ponitz  in Thüringen.

Da viele Feuerwehrleute Ärmelabzeichen sammeln, hat Oberbrandmeister Arno Kläs aus Neroth in der Vulkaneifel ein „Fluthelfer-Abzeichen“ kreiert. Es wird für den guten Zweck verkauft. „Hochwasser 2021 – Zusammenarbeit ist unsere Stärke“ steht da. Sandsäcke, Spaten und Regen sind neben den Landeswappen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zu sehen.

Feuerwehr-Abzeichen
Über 300 Feuerwehr-Abzeichen sind an den drei Stelen angebracht. Foto: Frank Bugge

Zur Sammlung gehören 14 Briefe von Feuerwehren aus der Republik, die sich nach ihrem Einsatz an der Ahr nochmal melden wollten. Einige Wehren habe nachträglich noch Aufnäher geschickt. Die Erste Bürgermeisterin von Roding im ostbayerischen Landkreis Cham in der Oberpfalz, Alexandra Riedl, berichtet, dass 29 „Feuerwehrler“ aus ihrem ebenfalls immer wieder von Hochwasser betroffenen Stadtgebiet am Fluss Regen im Einsatz an der Ahr waren: Sie kamen von der Feuerwehr Stadt Roding und den Feuerwehren Altenkreith, Mitterdorf und Trasching, „Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute und viel Kraft bei den noch bevorstehenden Arbeiten“, schließt die Erste Bürgermeisterin.

Das Museum

Das „Feuerwehr Erlebnis Museum“ in Hermeskeil bietet eine interaktive und multimediale Erlebnisausstellung, zugeschnitten auf Kinder und Jugendliche. Anfassen, Einsteigen, Draufsetzen, Ausprobieren und Mitmachen gelten nicht nur bei den 15 historischen, fahrbereiten Einsatzfahrzeugen, sondern auch auf dem Parcours durch die Geschichte und zu den Themen Feuer, Feuerwehr und Brandschutzerziehung. Mitglieder des im August 2007 gegründeten Förder- und Trägervereins gestalten, pflegen und überarbeiten ehrenamtlich die Ausstellungen und Oldtimer, erstellen das Programm, stehen an der Kasse und im Shop und führen durch das Gebäude. Das Museum ist von Dienstag bis Freitag von 14 bis 17 Uhr geöffnet sowie am Wochenende und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr. Der Eintritt kostet 6 Euro, Kinder bis 14 Jahre zahlen 5 Euro. Eine Familienkarte gibt es für 18 Euro.
Mehr Informationen gibt es auf der Homepage des Museums.

Frank Bugge

 

 

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