Einsatzkräfte nicht allein lassen

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20 Jahre nach dem Zugunglück in Eschede ist die „Hilfe für Helfer“ in Deutschland etabliert.

Symbolfoto: BBK/DFV

Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau ist für viele ein Traumberuf oder ein geliebtes und gelebtes Ehrenamt: Die Aufgaben sind vielfältig, man arbeitet im Team und kann Menschen in Notsituationen helfen. Erfolgreiche Einsätze machen stolz und motivieren. Und dann gibt es Tage wie den 3. Juni 1998. Beim schwersten Eisenbahnunglück in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Eschede sterben 101 Menschen, 123 Reisende werden zum Teil schwer verletzt. Selbst erfahrene Einsatzkräfte waren tief entsetzt, fühlten sich hilflos – Schlafstörungen, Alpträume, Selbstzweifel und Krisen in Beruf und Familie waren nicht selten die Folge.

Entlastung verschafften den annährend 2000 haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern rund 100 Einsatznachsorgekräfte aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Speziell geschulte Personen  aus dem Einsatzwesen boten, gemeinsam mit psychosozialen Fachkräften aus dem Bereich Feuerwehrseelsorge und Psychologie, Nachsorgegespräche an. Mit Erfolg. Sie wurden breit akzeptiert und waren für viele Einsatzkräfte hilfreich. Das Unglück von Eschede war die Initialzündung der systematischen „Hilfe für Helfer“ in Deutschland.

Deutscher Feuerwehrverband und Bundesamt fördern Qualitätssicherung

Während vor 20 Jahren noch Sätze wie „Wer das nicht abkann, ist falsch hier“ verbreitet waren, herrscht heute Konsens darüber, dass Einsatzkräfte im Nachgang psychisch belastender Einsätze Hilfsangebote brauchen und auch schon vorher auf die Belastungen im Dienst vorbereitet werden müssen. Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) gründete 2000 die Stiftung „Hilfe für Helfer“ und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) förderte seither die Qualitätssicherung auf diesem Gebiet, stieß Forschungsaufträge an und moderierte die Erarbeitung von Standards. Während der Fokus anfangs vor allem auf einer guten Nachsorge von belastenden Ereignissen lag, ist der Blick heute – 20 Jahre später – differenzierter. „Es ist wichtig, dass die Einsatzkräfte nicht allein gelassen werden“, sagt DFV-Präsident Hartmut Ziebs. „Psychisch gesund zu bleiben, liegt nicht in der alleinigen Verantwortung der einzelnen Einsatzkraft und ihrer Angehörigen, sondern muss ebenso auf Organisations- und auf Führungsebene der Feuerwehren gefördert werden.“

BBK-Präsident Christoph Unger sieht vieles von dieser Forderung schon verwirklicht. „Die Qualitätssicherung der Hilfe für Helfer ist in den letzten Jahren gut vorangekommen. Bundesweit gibt es Einsatznachsorgeteams, die meisten sind gut ausgebildet und es gibt wissenschaftlich fundierte Qualitätsstandards.“

Leitsatz heute: Belastungen senken – Schutz stärken

Mittlerweile liegt der Fokus auf der Prävention. „Wir wissen heute, dass eine gute Ausbildung, aber auch das soziale Miteinander die Arbeitsumgebung, Ausstattung und der Führungsstil der Vorgesetzten entscheidenden Einfluss auf die psychische Gesundheit der Einsatzkräfte haben“, sagt Dr. Jutta Helmerichs. Sie leitet im BBK das Referat Psychosoziales Krisenmanagement und war selbst  für die Helferinnen und Helfer von Eschede als Koordinatorin der Einsatznachsorge viele Monate vor Ort. „Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle dabei, Belastungen zu verringern und Schutzmechanismen zu stärken, zum Beispiel dadurch, dass sie ein wertschätzendes Arbeitsklima in den Einsatzorganisationen prägen“, sagt die Expertin.

Für die psychische Robustheit – Fachleute sagen Resilienz – brauche es zudem unterstützende Strukturen und Ansprechpersonen, die kontinuierlich verfügbar sind und schon vor dem Eintritt schlimmer Ereignisse bekannt sind. „Das schafft Vertrauen“, sagt Jutta Helmerichs. In dem Zusammenhang habe sich auch bewährt, dass die Hilfe für Helfer aus der Einsatzorganisation selbst kommt. „Es ist den Helferinnen und Helfern wichtig, mit jemandem sprechen zu können, der „Stallgeruch“ hat und jederzeit etwas Ähnliches erleben kann. Daher werden gezielt Einsatzkräfte in dieser Hilfe  ausgebildet.“

Bezogen auf den Schutzfaktor Ausbildung der Einsatzkräfte sei allerdings noch einiges zu tun. Zwar werden Themen wie psychosoziale Belastungen und Hilfen in der Feuerwehrausbildung hier und dort aufgegriffen. Ihre verbindliche Verankerung stehe aber noch aus, merkt Jutta Helmerichs an.

DFV

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